JOSEF

 
 

JOSEF — TÄTERPROFIL MEINES VATERS JOSEF — MY FATHERS CRIMINAL RECORD

35mm, 19min, 2016, sound

Die Lebensgeschichte so spektakulär, und so reduziert dargestellt, keine dramatischen Szenen, voyeuristischen Bilder, sondern ein raffiniertes Spiel aus Schwarzbild (als Projektionsfläche) und Stillleben. Im ersten Teil der Trilogie Der Zuhälter und seine Trophäen dreht es sich um den Großvater, einst berühmter Bordellbesitzer Salzburgs, seine Vorliebe für die Jagd und sein erklärungsbedürftiges Frauenbild. Josef – Täterprofil meines Vaters erzählt fragmentarisch die Geschichte des Vaters, der, vielleicht auch in Sehnsucht nach Anerkennung vom Vater, mit siebzehn Jahren eine Bank überfällt, ins Gefängnis kommt und später eine Edelsteinmine in Brasilien kauft. Und schließlich ist es Der Schatten der Utopie, der dritte Teil, der Vergangenheit und Gegenwart verknüpft und Brasilien als Sehnsuchtsort, Zufluchtsort, und aber auch als Bedrohung des Familienlebens skizziert. Der Fokus ist nunmehr auf die Frauen in der Familie gerichtet; im Film verwoben finden sich ihre Gedanken, Erzählungen und die Stimme „des kleinen Mädchens, das ich gewesen sein könnte“, die Stimme der Filmemacherin.

In der Trilogie Woran ich mich erinnere verdichtet Antoinette Zwirchmayr faszinierende, rätselhafte Bilder im Wechselspiel mit Schwarzbildern, um das konzentrierte Eintauchen in die Geschichten zu ermöglichen, aber auch Raum für Assoziationen zu geben. Wir sehen keine Animierdamen im Bordell, wir werden nicht Zeugen eines Banküberfalls, beide Sujets sind kinematografisch ausreichend ausgereizt. Aber wir sehen Tableaux Vivants der möglichen Jagdgesellschaft des Großvaters, den adonishaften Vater im Bananenblatt inszeniert, in Tücher gehüllte Frauen am Steinstrand, wie Sirenen wartend und anstelle des Banküberfalls übermächtige Perchtengestalten, oder schwingende Hüften der Sambatänzerinnen - ohne heiße Rhythmen. Wir sehen ungewöhnlich komponierte Stilleben mit Früchten im Meer, Patronenkapseln arrangiert wie Lippenstifte... ein gekonntes Spiel mit Irritationen: was ist erlebt, was ist fantasiert?

Unvoreingenommen, manchmal fast zärtlich, berichtet Antoinette Zwirchmayr die Chronik der Ereignisse, die ihren Lauf geradezu schicksalhaft nehmen mussten. Diese Befreiungsgeschichte umschifft die Klischees und die durchgängige Verweigerung herkömmlicher Erzählweisen und Blickregimes setzt auch Musik markant nur zu den erzählerischen Höhepunkten ein. Die Texte verdeutlichen die Konstruktionen der Erinnerungen, die Mythenbildungen durch eine Mischung aus persönlicher Erinnerungsgeschichte der verschiedenen Familienmitglieder, Gerichtsprotokollen und in jedem Teil der Trilogie: die Stimme der Filmemacherin mit ihrem eigenen Erleben, ihrer Erinnerung, ihre Erinnerung als „allwissendes Kind“ und ihr Erinnern an ihre Erinnerungen, das historische Fakten mit Lebensgeschichten verbindet, aber immer wieder zu einem Blick von außen ansetzt, auch auf sich selbst...

In sechs Jahren entstand diese Trilogie aus einzelnen selbständigen Teilen und doch wirken sie zusammen so fein komponiert, dass jeder Teil, obwohl ein geschlossenes Ganzes, schon auf den nächsten verweist und damit in wiederkehrenden Motiven dramaturgisch verdichtet. Antoinette Zwirchmayr überholt damit die Wirklichkeit, befreit sich von ihrer Familiengeschichte und lässt Ambivalenzen zwischen Anziehung und Befremdung zu.

The life story is so spectacular, and presented so minimally: no dramatic scenes, no voyeuristic images, but a sophisticated interplay of black screen (the projection surface) and still lifes. The first part of the trilogy, The Pimp and His Trophies, revolves around the grandfather, once a famous bordello owner in Salzburg, his penchant for hunting, and his problematic image of women. My Father’s Criminal Record tells the story in fragments of the father who, perhaps yearning to be noticed by his father, robs a bank at the age of seventeen, lands in prison, and later buys a gemstone mine in Brazil. And finally it is The Shadow of Utopia, the third part, that connects the past and the present and sketches Brazil as a locus of longing, a place of refuge, but also as a threat to family life. Now the focus is on the women in the family; the film interweaves their thoughts, stories, and the voice „of the little girl I might have been,” the voice of the filmmaker.

In the trilogy What I Remember Antoinette Zwirchmayr condenses fascinating, puzzling images in interplay with black screens, allowing a concentrated immersion in the stories, but giving room for associations as well. We see no B-girls in the bordello, we are not witnesses to a bank heist. Both of these subjects have been sufficiently exhausted cinematographically. But we do see tableaux vivants of the grandfather’s possible hunting party, the Adonis-like father staged in a banana leaf, women wrapped in towels on a rocky beach, waiting like sirens. And instead of the bank robbery we see the towering Alpine effigies called Perchten, or the swaying hips of the women dancing samba — without hot rhythms. We see unusually composed still lifes with fruit by the sea, cartridge cases arranged like lipsticks … a skillful game of confusion: what’s been experienced, what’s been imagined?

Impartially, sometimes almost tenderly, Antoinette Zwirchmayr recounts the chronicle of events that had to run their almost fateful course. This tale of liberation circumvents clichés, and this consistent refusal of conventional narrative techniques and visual regimes strikingly employs music only at the narrative high points. The texts accentuate the constructions of memory, the myth creations, with a blend of personal recollections from the various family members, courtroom records and, in each part of the trilogy: the filmmaker’s voice, with her own experiences, her memory, her memory as an “omniscient child,” and her remembrance of memories, connecting historical facts with life stories, but repeatedly assuming a view from outside, even towards herself…

It took six years to create this trilogy of separate, independent parts, and yet together they seem so finely composed that each part, although a self-contained whole, already refers ahead to the next one, thus dramaturgically concentrating it in recurring motifs. With this, Antoinette Zwirchmayr outruns reality, frees herself from her family history, and admits of ambivalences between attraction and estrangement.

TEXT Wilbirg Brainin-Donnenberg ÜBERSETZUNG | TRANSLATION Geoffrey C. Howes

REGIE | DIRECTOR Antoinette Zwirchmayr CAST Willy Kristen TEXT Angelika Reitzer BILDGESTALTUNG | DOP Leena Koope REGIEASSISTENZ | ASSISTANT DIRECTOR Willy Kristen MUSIK | MUSIC Matthias Peyker PRODUKTION | PRODUCTION Carmen Weingartshofer LICHT | GAFFER Thomas Münster STIMME | VOICES Julia Dossi, Stefan Gorski MONTAGE | EDITING Hannes Böck TONGESTALTUNG | SOUND DESIGN Nils Kirchhoff FARBKORREKTUR | COLOR GRADING The Grand Post